Zwei Frauen mit Kindern im Supermarkt. Eine Gruppe von Leuten auf nächtlichem Boulevard. Eine singuläre Frau im neonfunkelnden Talmiglanz eines Spielsalons und vor spaciger Weltraumtapete in dämmriger Bar. In ihren Fotoarbeiten hält Pitt Sauerwein Momente aus der eigenen Alltagswirklichkeit fest, porträtiert sich selbst ebenso wie Verwandte und Freunde in privater und öffentlicher Sphäre. Und doch sind diese scheinbar direkt aus dem Leben gegriffenen, zufällig erfassten Augenblicke Ergebnisse genauer Versuchsanordnungen, in denen das Dokumentarische und die Inszenierung ineinander übergehen. Das reale Setting von Interieurs und Außenräumen, in denen sich die Künstlerin bewegt, ist die Bühne, wo sie das Beiläufige in atmosphärisch-feinstofflicher Gestalt zur Anschauung bringt.
Ihre Sujets sind die leisen Situationen und Interaktionen, in denen Menschen anwesend sind, ohne sich dessen bewusst zu sein – die Randereignisse, die gewöhnlich nicht registriert werden und entsprechend keinen Eingang finden ins persönliche, innervisuelle Archiv.
Im performativen (Re-)Kreieren dieser Zwischen- und Neben-Momente fokussiert Pitt Sauerwein das Flüchtige, das sich sonst der Wahrnehmung entzieht: die Intervalle im täglichen Geschehen, die kontemplativen, selbstversunkenen Schwebezustände, eine Art Traumzeit im Daseinsfluss. Mit ihrem Projekt der (Selbst-)Beobachtung in wechselnden Konstellationen und Umfeldern, das die Künstlerin als „Touristin in der eigenen Realität“ vorantreibt, hält sie den Strom der Zeit immer wieder inne, um das Nebensächliche, Übersehene in der nachgespielten Pose wie in einem Stilleben zu fixieren. Die „Authentizität“ der Dokumentar-Ästhetik prallt dabei auf die artifizielle Hyperrealität des inszenierten Augenblicks und wird zusätzlich dadurch ausgehebelt, dass der von Pitt Sauerwein bediente Selbstauslöser häufig im Foto zu sehen ist und Details, etwa ein Tapetenmuster, das vorgefundene Arrangement von Waren im Regal, in der Komposition eine kulissenhafte Dynamik entfalten. Ihr Versuch, die eigene Existenz gerade im Moment des Nicht-bewusst-Erlebens – beim Einkaufen, in Gedanken, im wortlosen Miteinander, im Alleinsein – intensiv erfahrbar zu machen, mündet in Bilder, in denen die Gegensätze zwischen authentisch und stilisiert, Reflexion und Fiktion, individuellem und kollektivem Horizont aufgehoben sind.